Doch wieder anders

Ich befinde mich nun in einem weißen, klinischen Raum, in dem sich ein Bett, ein Tisch mit einem leckeren asiatischen Buffet, ein Bildschirm an der Wand und ein in den Boden eingelassener Hebel befinden. Es gibt keine Tür. Ich bin nackt und allein. Das Ende meiner Odyssee – oder was ist das?

Plötzlich sagt eine weibliche Stimme:
„Wenn Du den Hebel umstellst, wird die Menschheit ausgelöscht. Du hast die Wahl.“
„Warum sollte ich das tun?“ frage ich, aber ahne die Antwort schon.
„Weil es richtig sein könnte. Du hast alle Zeit der Welt, das zu recherchieren und dann zu entscheiden. Da das einige Zeit dauern kann – Du hast alle der Welt -, gibt es ein Bett, eine Konsole zum Recherchieren, ein Buffet das sich immer wieder erneuert, und den Hebel.“
„Hm. Und wo dusche ich und gehe auf Klo? Und was ist mit Sex? Überdruck kann zu Frustration führen, und dann lege ich den Hebel vielleicht aus den falschen Gründen um.“ Ich lasse mich nicht beirren und beherrsche die Situation souverän – zumindest tue ich so.
Eine Pause entsteht, als dachte die Stimme nach.
„Guter Punkt. Augenblick…“

Zwanzig Minuten später öffnet sich eine bis dahin unsichtbare Tür in der Wand, und meine Freundin-Gegnerin, die 12.000, tritt ein, frisch gewaschen und wieder vollständig bekleidet. Zwei polnische Handwerker folgen ihr. Einer trägt einen Werkzeugkoffer, der andere einige Streben und Bretter.
Meine Freundin-Gegnerin selbst zieht einen Handkarren mit weiterem Material hinter sich her, der zu schwer für sie ist. Sie müht sich ab und beginnt wieder zu schwitzen. Ihre unwirkliche Würde von vorhin ist verschwunden. Als alle im Zimmer sind, verschwindet auch die Tür. Eine Tür. Es geht also doch immer weiter. Immer gibt es Fluchtwege, immer, immer, beinahe gesetzmäßig.

Sie fangen an zu Zimmer, während ich mich an den Tisch setze und das beste Thai-Curry meines bisherigen seltsamen Lebens verspeise. Nicht ganz das beste. Das eine in Bangkok vor ein paar Jahren war eine Spur raffinierter.

„Dass das Thai-Curry nicht perfekt ist,“ antwortet die Raumstimme auf meine Gedanken, als könnte sie sie lesen, liegt daran, dass wir keine Fischsauce aus echten Fischen verwenden, sondern nur einen veganen Ersatz.
„Dennoch: Respekt!“ antworte ich, auch weil mir der Ansatz gefällt.

Als ich beim Nachtisch bin – Mango-Reis-Pudding -, sind auch Dusche und Toilette fertig gestellt, und die beiden Polen verabschieden sich.
„Moment“, rufe ich ihnen hinterher, „wartet. Kann ich mit euch raus? Fahrt ihr zurück nach Polen oder wohnt ihr in Tokio?“
„Nix verstehen“, sagt der ältere, „du machen gut. Tschüss.“ Der jüngere zuckt nur mit den Schultern.
„Ich mit nach Polen“, versuche ich es erneut und male mit der Hand die Umrisse ihres Landes in die Luft.
„Nix Polen“, antwortet er, „Bulgarien.“
„Na gut, dann halt Bulgarien. Mir gleich.“
„Nix gleich. Erst morgen.“
„Morgen genügt. Gehen wir.“
Plötzlich tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um, sehe die 12.000, nehme dann gerade noch wahr, wie ihre Faust auf mein Gesicht zurast, und dann ist alles nur noch schwarz um mich herum.

Ich erwache auf dem Bett. Neben mir liegt eine der Androidinnen, aber nicht meine Freundin-Gegnerin, sondern, wenn ich den Ausdruck ihrer Augen richtig deute, eher eine T-1000.
„Verschwinde, ich muss nachdenken“, befehle ich, und sie legt sich schweigend und etwas traurig unter das Bett.
Und ich denke nach. Und denke. Und denke. Zwischendurch esse ich, surfe etwas im Internet – dafür ist der Bildschirm da -, esse, vögele mit der Androidin, dusche, esse, denke nach, surfe, esse, surfe, dusche, vögele, kacke, esse, kacke, dusche, vögele unter der Dusche, esse, esse auf dem Klo, vögele beim Surfen, spiele alle weiteren denkbaren Kombinationen meiner beschränkten Auswahl durch, um schließlich nach vier Jahren und drei Monaten eine Entscheidung zu treffen.