Grünliche Laterne – der Ring

Soundtrack: 

Wissen floss in mich wie ein mächtiger Strom, ohne Grenzen, ohne Limit, ohne Textur. Ich lernte, dass der tote Außerirdische Rho-Mag-Ton-Bur hieß und dass er einem Corps von Superhelden angehörte, die angeleitet von mächtigen alten Wächtern – alle männlich – das Universum im Zaum hielten. Ihre Geschichten sind in Literatur und Kunst vieler Zivilisationen zu finden, meist stark verflacht und verfälscht (auf der Erde in Comics mit muskulösen Männern, sexy Frauen und unwahrscheinlichen Außerirdischen, die fast immer gewinnen). Der Ring erzählte mir, was die Welt wirklich im innersten zusammenhielt – und es war ganz anders als ich erwartet hatte (vielleicht schreibe ich es an anderer Stelle mal auf – es ist wirklich viel einfacher als wir alle dachten, aber ähnlich schwierig zu „sehen“ wie die Luft die uns umgibt).

Meine Kleidung hatte sich inzwischen verändert. Ich trug eine Art eng anliegenden Pyjama, der meine Figur allerdings unvorteilhaft erscheinen ließ. Mein Bauch hing über den Gürtel, und der enge Kragen schob mein Doppelkinn nach oben. Ich bat den Ring, das zu korrigieren, was er fettverbrennenderweise auch tat. Außerdem legte sich eine dunkelgrüne Maske um meine Augen herum, mit der man mich gewiss nicht erkennen würde, auch meine engsten Freunde nicht.

Dann erklärte er mir meine zukünftige Aufgabe (ohne zu fragen, ob ich mit dieser fundamentale Änderung meiner bisherigen Prinzipien einverstanden sei)…

Nachdem ich den Ring in so einer Vintage-Batterie aufgeladen hatte, wofür ich einen eher weniger poetischen Reim aufsagen musste, startete ich zu meinem Jungfernflug. Mein Wille geschah, der Ring hüllte mich ein grünes Kraftfeld, und ich stieg Richtung West-Nord-West auf, um meine neuen Möglichkeiten auf dem Tempelhofer Feld auszuprobieren. Als erstes drehte ich einige Loopings, dann stieg ich über die Wolken (sie waren kühl und feucht und gar nicht romantisch, aber ich befahl dem Ring, eine warme Schicht um meine Kleidung zu legen und dies immer so zu machen, bei jedem Flug), schließlich probte ich einige Landungen, und letztlich startete ich einen Langstreckenflug Richtung Thailand, wo ich zwölf Minuten später ankam.

Ich mochte nicht auffallen, also landete ich in der Khao-San-Road und mischte mich unter die Alternativ-Touristen (die eine wirklich tolle Alternative zu den Pauschal-Touristen darstellen). Dort frühstückte ich erst einmal (die notwendigen Baht hat der Ring generiert, wobei er irgendwie protestierte). Weil ich mich nicht künstlich von der allgemeinen touristischen Profanität abheben wollte, bestellte ich einen Banana Pancake und einen Cappuccino. Trauben an Westlern und Japanern prozessierten die Straße entlang und kauften hier und da ein T-Shirt, Räucherstäbchen, CDs und Hühnchenspieße. Dickliche rotgebrannte ältere Deutsche in Basketballshirts und kurzen Hosen flanierten Hand in Hand mit wesentlich jüngeren Thai-Frauen die Straße entlang, die immer wieder kicherten, wenn ihre Freier auf etwas zeigten und erklärten wie sie die Welt sahen. Einige waren auch schneeweiß – ihr Bumsbomber musste vor nicht allzu langer Zeit gelandet sein. Natürlich war die Khao-San-Gegend nicht ihr natürlicher Lebensraum. Sie – und ungleich schlimmere Vertreter derselben Spezies – hatten ein anderes Jagdrevier. Der Ring flackerte, als sich nach und nach Ideen einstellten, was mein erster Job als Superheld sein könnte.

Nachdem ich mit meinem Falschgeld gezahlt hatte, bat ich den Ring, mich unauffällig nach Pattaya zu bringen. Auf dem Weg dorthin – der eigentlich nur einige Sekunden gedauert hätte, aber ich nahm mir Zeit und flog mit einer Tarnkappe, aber ohne weiteren Schutz in niedriger höhe durch die warme, feuchte Tropenluft – scannte ich sämtliche Handygespräche, die derzeit im ganzen Land geführt wurden (der Ring ist in dieser Hinsicht mächtiger als die NSA – um die, so plante ich bei dem Gedanken daran, ich mich zu gegebener Zeit kümmern würde). Und wurde sehr schnell fündig.

Ich navigierte zu einer Villa einige Kilometer nördlich von Pattaya, die Teil eines nach Geld stinkenden Anwesens war (der Ring konnte Informationen in olfaktorische Reize umsetzen und die Möglichkeiten seines Trägers, die Welt zu erleben, erheblich erweitern). Vor der Tür saßen zwei bewaffnete Galgenvögel mit offenen Hemden, Goldkettchen und Zigarette im Mund. Ich schaltete sie aus, indem ich zwei große grüne Boxhandschuhe formte und „zuschlagen“ dachte. Der eine wurde gegen eine weiter entfernt stehende Palme geschleudert, der andere rutschte einige Meter über den Boden, bevor er von einem Blumenkübel gestoppt wurde (ich würde lernen müssen, meine Kräfte zu kontrollieren). Beide aber hatten, wenn auch knapp, überlebt. Ich betrat das Haus durch die verschlossene Stahltür, die sich zu meinem Kraftfeld verhielt wie Staniol zu einer Bowlingkugel.

Zwei weitere Männer – diesmal mit Maschinenpistolen – erschienen, die ich ausschaltete, indem ich einen kurzen Herzstillstand hervorrief. Aus einem der weiter hinten gelegenen Räume hörte ich eine laute Stimme und ein verzweifeltes junges Schreien. Zunächst wollte ich rennen, entschied mich dann aber für einen kurzen Flug. Ich riss die Tür aus der Verankerung und stand einem erschreckt dreinblickenden reichen Rentner gegenüber, der – mit Ausnahme natürlich seiner Socken – unbekleidet war. Hinter ihm auf einem Bett lag ein vielleicht 8-jähriges gefesseltes Mädchen, das apathisch an die Decke starrte. Ein schneller Scan mit dem Ring ließ mich wissen, dass sie bis auf oberflächliche Blessuren körperlich unversehrt und auch nicht sediert war: in ihre Seele aber konnte mein neues Werkzeug noch nicht blicken. Der alte Mann hielt eine Petische in den Händen und überraschte mich mit einem erstaunlich schnellen Angriff. Ich war unkonzentriert, und so erwischte er mich am Hals. Eine Sekunde später hatte ich ihn niedergestreckt und mit transparenten grünen Seilen gefesselt: diese zog ich so eng, dass er beim Aufwachen Schmerzen haben würde, und fragte mich gleich, was meine Rolle hier war: ob ich auch Richter wäre oder nur Polizist. Das Mädchen befreite ich. Es schrie noch immer, und so betäubte ich es behutsam.

In gleicher Manier durchkämmte ich das ganze Anwesen, betäubte einen Pädophilen nach dem andern und stapelte sie im größten Raum der Villa auf einen Haufen. Die Mädchen – und einige Jungen – legte ich schlafend in ein großes, weiches grünes Bett. Soweit so gut – doch was nun? Die Polizei rufen? Die Deutsche Botschaft? Die Presse?

Ich entschied mich, die Gewalttäter zunächst zu „behandeln“.