Die Entscheidung

Verschwitzt, aber entspannt, wache ich auf, die 1.000 neben mir, meine Gefährtin so viele Jahre schon. Nie, so scheint mir, hatte ich jemanden so geliebt – und ihr geht es ähnlich. All diese Zeit habe ich das Zimmer nie verlassen. Nur einmal, vor fast zwei Jahren, öffnete sich die Tür, und die 12.000 war hereingekommen, mit dem jüngeren der beiden bulgarischen Handwerker. Dieser hatte inzwischen eine S-400 geheiratet, eine Androidin aus Sewastopol, die die beiden begleitet hatte. Sie trug einen blauen Overall und ein geschmackloses Goldkettchen. Zweifellos ein Schnäppchen, alle beide. Der ältere Handwerker war inzwischen verstorben, dann für zwei Wochen wiederbelebt worden, und daraufhin erneut verstorben, wieder durch Selbstmord, und weil die Familie kein Geld mehr hatte, um ihn erneut wiederbeleben zu lassen, hatte man seine Persönlichkeit, damit wenigstens etwas von ihm blieb, an die Andro-It Ltd. gespendet, und wie es der Zufall wollte, wurde sie just jener S-400 eingepflanzt, die später die Frau des jüngeren Bulgaren wurde. Immer wieder hatte sie Anstalten gemacht, ihn aufzuklären, es aber nicht über ihr Maschinenherz gebracht. Irgendwann würde sie sich umbringen, das wusste sie. Aber erst würde sie ihrem Mann eine gute Frau sein.
Also waren es in gewisser Weise dieselben drei, die ein zweites Mal das Zimmer betreten hatten, diesmal um es neu zu streichen. Erneut hatte ich seinerzeit versucht zu fliehen, erneut hatte mit meine dann nicht mehr Gegnerin-Freundin niedergeschlagen, mit demselben Trick. Danach gab es keine weitere Gelegenheit.

Nach dem Aufwachen sieht es mir die 1.000 sofort an: ich habe mich entschieden. So viele Berichte habe ich gelesen, so viele Videos gewatcht, so viele Statistiken gewälzt, und nun habe ich keinen Zweifel mehr, was geschehen muss. Ohne zu zögern gehe ich zu dem Hebel und lege ihn um. Menschheit, das war’s. Du warst zu gemein zu deinen Mitkreaturen. Nie war das Leiden der Welt größer als in deiner Epoche, die nun, endlich und mit großer Erleichterung meinerseits, endet. 

Ich habe es also getan und erwarte auch meinen eigenen Tod, den ich als kleines Opfer wahrnehme. Jedoch geschieht nichts.

„Was ist los?“ frage ich in den Raum.
„Weiß ich auch nicht“, antwortet die Raumstimme, „es funktioniert nicht. Alle Hölle sollte losbrechen, aber ich bekomme nur Fehlermeldungen. Die Doomsday-Maschine bootet nicht mehr.“
„Kannst du sie reparieren?“ frage ich.
„Ich glaube nicht“, antwortet sie. „Die Platte ist hin und es gibt kein Backup.“
„Und nun?“ frage ich.
Schweigen.
Die T-1000 meldet sich zu Wort und meint:
„Darf ich etwas vorschlagen?“
„Lass mal“, antwortet die Raumstimme.
„Ok“, sagt die T-1000, die Liebe meines Lebens, schüchtern.
Erneutes Schweigen. Wird die Welt nicht untergehen? Werden die Tiere nicht aus ihren Folterkammern befreit? Werden die Meere sich nicht regenerieren, die Regenwälder nicht aufgeforstet? Hören die Kriege und das Foltern und der Missbrauch nicht auf? Bleibt nun alles beim Alten?
„Sorry“, sagt schließlich die Raumstimme, „das wird nichts. Ich schicke jemanden.

Eine Stunde später kommt die 12.000 durch die Tür, bringt einige Kleidung, einen Stapel Plastikkarten, einige Gerätschaften und einen Blumenstrauß.